Am 11. März diesen Jahres wurde Japan von einem Jahrhunderterdbeben heimgesucht. Doch obwohl bereits die natürlichen Verheerungen drastisch sind, zeigte sich alsbald ein neues, menschengemachtes Problem: Die Kontrollierbarkeit der Kernenergie, über lange Zeit in naivem Fortschrittsglauben für sicher erklärt stand plötzlich auf dem Prüfstand: Bundeskanzlerin Merkel verabschiedete bereits am 14. ein "Moratorium" für die betagtesten Kernkraftwerke der Bundesrepublik.
Gemeint ist eine kurzfristige Abschaltung um im Zuge einer technischen Überprüfung der Sicherheit "neue Erkenntnisse" zu gewinnen. Warum Merkel es plötzlich nicht mehr mit ihrem Amtseid in Einklang bringen kann die Kraftwerke am Netz zu lassen, was also genau der Vorfall in Japan mit der Reaktorsicherheit hier in Deutschland zu tun hat sei dahingestellt.
Die Entscheidung war umstritten, nicht nur in der Politik, auch die Energieversorger meldeten sich Achtungheischend zu Wort. RWE-Chef Jürgen Großmann warnte uns alle vor steigenden Strompreisen und einem hohen Risiko für Stromausfälle.
Von den ursprünglich 19 Kernkraftwerken sind nunmehr noch sechs am Netz, und von den Horrormärchen des Jürgen Großmann ist in der Realität wenig übrig geblieben. Sicher, die Versorgung ist etwas knapper geworden und sicher ist die Jahreszeit ebenfalls günstig, aber grundsätzlich wird klar: Zumindest kurzfristig können wir uns das abschalten der Kernreaktoren leisten. Weder bricht die Ökonomie zusammen, noch bricht Chaos auf den Straßen aus, noch regnet es Feuer und Schwefel.
Das veranlasst insbesondere die Grünen zu Schnellschüssen. So griff die Energieexpertin Bärbel Höhn die Steilvorlage auf und urteilte: "Mit jedem weiteren abgeschalteten AKW fallen die Lügengebäude zusammen, dass Deutschland so dringend auf die Reaktoren angewiesen ist".
Die Frage ist nunmehr: Was bedeutet "so dringend"?
Sicher war die Drohung von Großmann größtenteils eine leere, sicher ist es bereits mit der vorhandenen Netztechnik durch eine stärkere Verlagerung der Energieerzeugung auf Kohle und Gas sowie Stromimport aus Frankreich möglich kurzfristig auf Kernenergie zu verzichten.
Langfristig und global betrachtet mag die Analyse anders ausfallen: Der globale Energiehunger wächst, trotz steigender Effiziens rasant an, und dieser Trend wird sich in absehbarer Zeit nicht umkehren. Der Kernkraftanteil an der weltweiten Stromerzeugung beträgt etwa 16 %. In Frankreich, von wo wir zur Zeit Strom importieren, wurde 2008 84% des Stroms durch Atomkraft erzeugt.
Da weder Photovoltaik noch Windkraft ohne aufwändige Speicherlösungen verlässlich Strom liefern können und Deutschland - wie auch Frankreich - arm an naürlichen Ressourcen bzw. Bodenschätzen ist, würde eine Abschaltung der AKW in Europa eine stark vermehrte Abhängigkeit vom Import von fossilen Energieträgern bedeuten.
Dies hätte zwei Konsequenzen: Zum einen muss die Versorgung sicher gestellt werden. Viele Erdölvorkommen liegen noch immer im politisch instabilen nahen Osten - Gegenwärtig ist die mangelnde Stabilität deutlicher denn je zu spüren.
Zum anderen bleibt das Argument der Klimabelastung durch CO2 - Ausstoß. Obgleich heute niemand mit Sicherheit sagen kann ob und wie weit der Mensch durch seinen Energieverbrauch zur tendenziellen Erwärmung der Erde beiträgt oder ob es sich um ein natürliches Phänomen handelt, das (wissentlich?) fehlinterpretiert wird.
Zudem ist der Rückbau, die Stilllegung eines AKW ein komplexer, teuer und langwieriger Prozess.
Die Frage nach der Kontrollierbarkeit der Kernenergie zu stellen ist - nicht nur in Anbetracht der Ereignisse in Japan durchaus legitim. Allerdings sollte in der gesellschaftlichen Diskussion nicht vergessen werden, welche Folgen dieser Ausstieg hätte.
Es sei also angeraten besonnen die Alternativen abzuwägen und eine auszuwählen, anstatt aus kurz erruptierender Panik Schnellschüsse zu fordern. Eine gute Idee wäre es sicherlich, die Worte "besonnen" und "Alternativen (abwägen)" auch ernst zu nehmen und nicht als Worthülse zu vergewaltigen - ebenso wie der Begriff "Brückentechnologie".
Siehe dazu auch im Neusprechblog:
http://neusprech.org/brueckentechnologie/
http://neusprech.org/alternativlos/
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