Samstag, 7. Mai 2011

Das Lügenfernsehen

Sicher, wir haben es uns gedacht. Da waren die Vermutungen - und im Fall von Frauentausch auch Gewissheit - dass im derzeitigen Nachmittagsprogramm keineswegs nur echte Fälle von wohnungsuchenden Pärchen, schmarotzenden Hartzern und mit sich selbst überforderten Teenagern gezeigt werden.
Aber so ganz sicher waren wir uns dann doch nicht, oder? Schließlich sind die wenigsten Zuschauer Medienprofis, und insofern in der Regel nicht in der Lage genau einzuschätzen, was nun Realität ist - und was Fiktion.

Panorama-Moderatorin Anja Reschke hat sich für uns in die Untiefen des Privatfernsehens gewagt und zu Tage gefördert mit welchen Machenschaften der Zuschauer täglich betrogen wird.
Ich kann daher nur empfehlen ihre äußerst aufschlussreiche Spurensuche anzuschauen:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_die_reporter/luegenfernsehen105.html 

Es wäre interessant zu wissen, wie viele Menschen sich täglich diese und ähnliche Sendungen im Fernsehen anschauen - und es wäre darüber hinaus interessant wie viele Menschen das Gesehene für bare Münze nehmen. Wirklich sicher was nun real war und was gestellt, kann sich eventuell nur die Produktionsfirma sein.

Diese Entwicklung in der televisionären Medienlandschaft könnte weitreichende (politische) Folgen haben. So halte ich es für möglich, nein für höchstwahrscheinlich dass diese Melange sich durchaus seinen Weg in das Bewusstsein der Menschen bahnt, dass also auch nach dort Gesehenem (unbewusst) entschieden, gedacht, argumentiert wird. Sicher nur auf niederem Niveau, aber wie der Edward Bernays in seinem Buch "Propaganda" treffend beschrieb wird eine öffentliche Meinung nicht durch großangelegte Kundgebungen beeinflusst. Vielmehr gilt es innerhalb kleinerer sozialer Gefüge - wie etwa dem örtlichen Kegelverein - den dortigen "Anführer", d.h. eine angesehene Person, deren Worten die Menschen in seinem direkten Umkreis Glauben schenken, zu gewinnen.

Und auf einer solchen Ebene greift die mediale Gedankenvergiftung von der unfähigen Jugend, von den schmarotzenden Hartzern und den Schmuddeleltern. Zweifelsfrei gibt es ein großes Interesse an derartigen Bildern. Der Markt - also der Zuschauer - verlangt gewissermaßen danach.
In unsicheren Zeiten sind die Menschen auf der Suche nach klaren Argumenten, nach eindeutigen, scharfen Kontrasten, nach Polarisierung. Da dieses Verlangen jedoch anhand der Realität durch das Fernsehen wohl nicht mehr zu befriedigen ist, betrügt man den Zuschauer um die Wahrheit.

Es liegt mir jedoch fern die Medienaufsicht, die Produktionsfirmen und die Fernsehsender allein verantwortlich zu machen für diese schändliche Entwicklung. Einen guten Teil der Verantwortung trägt immer noch der Zuschauer.

Wenn auf der Suche nach Klarheit die Lüge (und Selbstlüge) in Kauf genommen wird, läuft in jedem Fall etwas gründlich schief.

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