Samstag, 7. Mai 2011

Das Lügenfernsehen

Sicher, wir haben es uns gedacht. Da waren die Vermutungen - und im Fall von Frauentausch auch Gewissheit - dass im derzeitigen Nachmittagsprogramm keineswegs nur echte Fälle von wohnungsuchenden Pärchen, schmarotzenden Hartzern und mit sich selbst überforderten Teenagern gezeigt werden.
Aber so ganz sicher waren wir uns dann doch nicht, oder? Schließlich sind die wenigsten Zuschauer Medienprofis, und insofern in der Regel nicht in der Lage genau einzuschätzen, was nun Realität ist - und was Fiktion.

Panorama-Moderatorin Anja Reschke hat sich für uns in die Untiefen des Privatfernsehens gewagt und zu Tage gefördert mit welchen Machenschaften der Zuschauer täglich betrogen wird.
Ich kann daher nur empfehlen ihre äußerst aufschlussreiche Spurensuche anzuschauen:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_die_reporter/luegenfernsehen105.html 

Es wäre interessant zu wissen, wie viele Menschen sich täglich diese und ähnliche Sendungen im Fernsehen anschauen - und es wäre darüber hinaus interessant wie viele Menschen das Gesehene für bare Münze nehmen. Wirklich sicher was nun real war und was gestellt, kann sich eventuell nur die Produktionsfirma sein.

Diese Entwicklung in der televisionären Medienlandschaft könnte weitreichende (politische) Folgen haben. So halte ich es für möglich, nein für höchstwahrscheinlich dass diese Melange sich durchaus seinen Weg in das Bewusstsein der Menschen bahnt, dass also auch nach dort Gesehenem (unbewusst) entschieden, gedacht, argumentiert wird. Sicher nur auf niederem Niveau, aber wie der Edward Bernays in seinem Buch "Propaganda" treffend beschrieb wird eine öffentliche Meinung nicht durch großangelegte Kundgebungen beeinflusst. Vielmehr gilt es innerhalb kleinerer sozialer Gefüge - wie etwa dem örtlichen Kegelverein - den dortigen "Anführer", d.h. eine angesehene Person, deren Worten die Menschen in seinem direkten Umkreis Glauben schenken, zu gewinnen.

Und auf einer solchen Ebene greift die mediale Gedankenvergiftung von der unfähigen Jugend, von den schmarotzenden Hartzern und den Schmuddeleltern. Zweifelsfrei gibt es ein großes Interesse an derartigen Bildern. Der Markt - also der Zuschauer - verlangt gewissermaßen danach.
In unsicheren Zeiten sind die Menschen auf der Suche nach klaren Argumenten, nach eindeutigen, scharfen Kontrasten, nach Polarisierung. Da dieses Verlangen jedoch anhand der Realität durch das Fernsehen wohl nicht mehr zu befriedigen ist, betrügt man den Zuschauer um die Wahrheit.

Es liegt mir jedoch fern die Medienaufsicht, die Produktionsfirmen und die Fernsehsender allein verantwortlich zu machen für diese schändliche Entwicklung. Einen guten Teil der Verantwortung trägt immer noch der Zuschauer.

Wenn auf der Suche nach Klarheit die Lüge (und Selbstlüge) in Kauf genommen wird, läuft in jedem Fall etwas gründlich schief.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Moratorium ohne große Folgen?

Am 11. März diesen Jahres wurde Japan von einem Jahrhunderterdbeben heimgesucht. Doch obwohl bereits die natürlichen Verheerungen drastisch sind, zeigte sich alsbald ein neues, menschengemachtes Problem: Die Kontrollierbarkeit der Kernenergie, über lange Zeit in naivem Fortschrittsglauben für sicher erklärt stand plötzlich auf dem Prüfstand: Bundeskanzlerin Merkel verabschiedete bereits am 14. ein "Moratorium" für die betagtesten Kernkraftwerke der Bundesrepublik.
Gemeint ist eine kurzfristige Abschaltung um im Zuge einer technischen Überprüfung der Sicherheit "neue Erkenntnisse" zu gewinnen. Warum Merkel es plötzlich nicht mehr mit ihrem Amtseid in Einklang bringen kann die Kraftwerke am Netz zu lassen, was also genau der Vorfall in Japan mit der Reaktorsicherheit hier in Deutschland zu tun hat sei dahingestellt.
Die Entscheidung war umstritten, nicht nur in der Politik, auch die Energieversorger meldeten sich Achtungheischend zu Wort. RWE-Chef Jürgen Großmann warnte uns alle vor steigenden Strompreisen und einem hohen Risiko für Stromausfälle.

Von den ursprünglich 19 Kernkraftwerken sind nunmehr noch sechs am Netz, und von den Horrormärchen des Jürgen Großmann ist in der Realität wenig übrig geblieben. Sicher, die Versorgung ist etwas knapper geworden und sicher ist die Jahreszeit ebenfalls günstig, aber grundsätzlich wird klar: Zumindest kurzfristig können wir uns das abschalten der Kernreaktoren leisten. Weder bricht die Ökonomie zusammen, noch bricht Chaos auf den Straßen aus, noch regnet es Feuer und Schwefel.
Das veranlasst insbesondere die Grünen zu Schnellschüssen. So griff die Energieexpertin Bärbel Höhn die Steilvorlage auf und urteilte: "Mit jedem weiteren abgeschalteten AKW fallen die Lügengebäude zusammen, dass Deutschland so dringend auf die Reaktoren angewiesen ist".

Die Frage ist nunmehr: Was bedeutet "so dringend"?
Sicher war die Drohung von Großmann größtenteils eine leere, sicher ist es bereits mit der vorhandenen Netztechnik durch eine stärkere Verlagerung der Energieerzeugung auf Kohle und Gas sowie Stromimport aus Frankreich möglich kurzfristig auf Kernenergie zu verzichten.

Langfristig und global betrachtet mag die Analyse anders ausfallen: Der globale Energiehunger wächst, trotz steigender Effiziens rasant an, und dieser Trend wird sich in absehbarer Zeit nicht umkehren. Der Kernkraftanteil an der weltweiten Stromerzeugung beträgt etwa 16 %.  In Frankreich, von wo wir zur Zeit Strom importieren, wurde 2008 84% des Stroms durch Atomkraft erzeugt.
Da weder Photovoltaik noch Windkraft ohne aufwändige Speicherlösungen verlässlich Strom liefern können und Deutschland - wie auch Frankreich - arm an naürlichen Ressourcen bzw. Bodenschätzen ist, würde eine Abschaltung der AKW in Europa eine stark vermehrte Abhängigkeit vom Import von fossilen Energieträgern bedeuten.

Dies hätte zwei Konsequenzen: Zum einen muss die Versorgung sicher gestellt werden. Viele Erdölvorkommen liegen noch immer im politisch instabilen nahen Osten - Gegenwärtig ist die mangelnde Stabilität deutlicher denn je zu spüren.
Zum anderen bleibt das Argument der Klimabelastung durch CO2 - Ausstoß. Obgleich heute niemand mit Sicherheit sagen kann ob und wie weit der Mensch durch seinen Energieverbrauch zur tendenziellen Erwärmung der Erde beiträgt oder ob es sich um ein natürliches Phänomen handelt, das (wissentlich?) fehlinterpretiert wird.
Zudem ist der Rückbau, die Stilllegung eines AKW ein komplexer, teuer und langwieriger Prozess.

Die Frage nach der Kontrollierbarkeit der Kernenergie zu stellen ist - nicht nur in Anbetracht der Ereignisse in Japan durchaus legitim. Allerdings sollte in der gesellschaftlichen Diskussion nicht vergessen werden, welche Folgen dieser Ausstieg hätte.
Es sei also angeraten besonnen die Alternativen abzuwägen und eine auszuwählen, anstatt aus kurz erruptierender Panik Schnellschüsse zu fordern. Eine gute Idee wäre es sicherlich, die Worte "besonnen" und "Alternativen (abwägen)" auch ernst zu nehmen und nicht als Worthülse zu vergewaltigen - ebenso wie der Begriff "Brückentechnologie".

Siehe dazu auch im Neusprechblog:
http://neusprech.org/brueckentechnologie/
http://neusprech.org/alternativlos/

FDP - Politische Supernova

Eine Supernova ist das eintretende, helle Aufleuchten eines Sterns am Ende seiner Lebenszeit durch eine Explosion, bei der der Stern selbst vernichtet wird. Je nach Masse des ursprünglichen Sterns ensteht im Anschluss ein kompaktes Objekt, dass seine Umgebung noch merklich beeinflusst, wie etwa ein Pulsar oder ein schwarzes Loch, oder eben, im Fall von Sternen geringer Masse ein weißer Zwerg, der keine hohe Leuchtkraft mehr aufweist.
Die FDP ist wohl letzteres - implodiert ob der eigenen Dekadenz, als einzige bedeutende liberale Partei im System der Bundesrepublik die Idee des Liberalismus auf pure Gier, auf haben und mehr haben wollen reduziert zu haben. Guido Westerwelle ist der Mann hinter dieser Entwicklung, er hat die Partei in diese Situation gebracht. Es war Westerwelles agressive Verjüngung der Parteiinhalte, es war Westerwelles beißende Polemik, es war Westerwelles Versuch aus der Gier der Menschen für sich und seine Partei Kapital zu schlagen.
Und eventuell wäre sein Plan sogar aufgegangen - zumindest länger als es der Fall war - wenn, ja wenn die FDP auch nur eines der wenigen Projekte für die Sie warb nicht vergeigt hätte. Anfangs mag man noch gedacht haben: Dieses vermeintliche Traumpaar, FDP und CDU, müssen nur zusammen finden, es mag eine Weile dauern, doch es wird eine fruchtbare Ehe.
Heute wäre diese Haltung eindeutig antiquiert, die FDP ist in ihrer Koalition grandios gescheitert.

John Locke, Jeremy Bentham, Adam Smith - das sind die frühen (Vor-)denker des Liberalismus, und sicher würden sie mehrfach im Grabe rotieren wenn sie darum wüssten wie in unserem Land ihre Ideen von einer "liberalen Partei" mit Füßen getreten, nein ins Gegenteil verkehrt und korrumpiert werden.
Vielleicht liegt das daran, dass man in der FDP zugelassen hat, wie klassisch liberale Ideen nach und nach von anderen Parteien besetzt wurden. Ein gutes Stück Wählerschaft beispielsweise geht sicher an die Piraten und ihre Vorstellungen von einem freien, liberalen Internet - wo bitte bleibt der Widerstand in der FDP gegen Rollis paranoides Treiben? Wo bleibt der Aufschrei bzgl Internetzensur und Onlinedurchsuchung? Wo bleiben sozialliberale Ansätze wie Keynes Idee von der "Hilfe zur Selbsthilfe"? Wo bleibt energiepolitisch fortschrittliches Denken?
Die Fragen ließen sich fortsetzen.

Das Entfernen Westerwelles von der Spitze und aus dem Herzen der Partei war ein verzweifelter Versuch auf immer neue Umfragetiefstände, verlorene Wahlen und kontinuierlichen Mitgliederschwund zu reagieren. Einen Tumor zu entfernen hat das Krebsgeschwür jedoch nicht geheilt. Die FDP muss begreifen, dass ihr Erfolg bei der Bundestagswahl 2009 eine Supernova war, die implodierte, und sie muss begreifen dass sie bereits zu einem weißen Zwerg geschrumpft ist.
4% der Wähler würden laut Stern-TV-Wahltrend/Forsa der FDP am nächsten Sonntag ihre Stimme geben - und damit 4% weniger als für die Linke.

Wenn die FDP hoffen will zu neuer Stärke zu gelangen, sollte sie sich auf liberale Grundwerte besinnen. Es bedarf einer intellektuellen und wohl auch personellen Regeneration, man muss sich auf die eigene ideologische Herkunft besinnen, den vorhandenen politischen Markt sondieren und gezielt unbesetzte liberale Nischen bedienen oder zurück erobern. Die FDP hätte das Potenzial als eine in breite und tiefe gut aufgestellte Partei gebündelt den Liberalismus im Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten.

Ist sie dazu nicht bereit oder in der Lage wird sie wohl auf absehbare Zeit dort versinken wo sie ob der ideologischen Inhaltslosigkeit hingehört: In den Untiefen des Raums.

Fog of War

Inzwischen rudern die USA zurück. Nein, Bin Laden hat sich wohl nicht hinter einer Frau versteckt (eine Nachricht, die sofort den unübersehbaren Beigeschmack von billiger Propaganda hatte), und nein, Bin Laden war wohl nicht bewaffnet. Vielmehr hat man ihn in seinem Schlafzimmer erschossen, mit einem Kopfschuss, weil er "bedrohliche Bewegungen" gemacht, sich "gewehrt" hätte.
Die Unterschiede zwischen den verschiedenen offiziellen Versionen der USA zum Exekutionseinsatz Bin Ladens erklärt man mit dem "fog of war", dem Kriegsnebel. Man habe die Öffentlichkeit so eifrig, so schnell über die Vorkommnisse informieren wollen, dass Anti-Terror-Berater John Brennan zunächst fälschlich erklärt hat, Bin Laden habe seine Frau als menschlichen Schutzschild misbraucht.
Auch Werner Hoyer, Staatsminister des Auswärtigen Amtes sieht hier kein grundsätzliches Problem:

"Auch wenn nach unserem Rechtsverständnis eine solche Kommandoaktion nach Möglichkeit auf eine Festnahme hinauslaufen müsste, sehen sich die Amerikaner nach ihrem Rechtsverständnis in einem bewaffneten Konflikt mit Al-Kaida, dren Chef Bin Laden war. Da ist die Frage nicht mehr entschieden, ob Bin Laden selbst auf die US-Soldaten geschossen hat oder ob es einer seiner Leibwächter getan hat."

Was hier geschieht, erinnert partiell an die Entlarvung des ehemaligen Bundesverteidigungsministers von und zu Guttenberg. Es ist die selbe Politik der (versuchten) desinformation, der uninformation, des Stückchenweise zugebens des Offensichtlichen. Mit dem Unterschied, dass der Öffentlichkeit hier kaum Zugang zu Beweisen gegeben ist, wie das bei Guttenberg der Fall war. Diesmal kann keine Schwarmintelligenz aus engagierten Wahrheitssuchenden Tatsachen ans Licht fördern wie die legendäre Guttenplagwiki.

Viel deutet darauf hin, dass Bin Laden einfach weg musste, dass seine Zeit schlicht abgelaufen war.
Wenn Osama Bin Laden nicht entweder bereits seit Jahren Tod ist, oder in einem Gefägniscontainer auf dem Gelände einer amerikanischen Botschaft noch auf sein Ende wartet, also in der Nacht zum Montag tatsächlich Osama Bin Laden, angeblicher Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 von den USA hingerichtet wurde.

Die (mittlerweile Singular) offizielle Version der USA klang von Anfang an wie ein billiges Propagandamärchen. Die beinharten Jungs der Navy Seals stürmen, nachdem man Jahrelang nach ihm, dem personifizierten Architekten des globalen islamistisch motvierten Terrorismus gefahndet hat, nachdem man ihn ausfindig gemacht hat, in mühevoller Geheimdienstarbeit, sein Anwesen.
Er versucht sich zu wehren, zu fliehen, samt seiner Familie und verwendet dabei gar seine Frau als lebendigen Schutzschild. Doch die in den USA ausgebildeten Seals wissen was zu tun ist, in Notwehr erschießen sie Bin Laden mit einem Kopfschuss.

Das klang unwahrscheinlich, und es klingt freilich im Angesicht der neuesten "Informationen" umso phantasievoller. Wahrscheinlicher ist, dass zumindest der Pakistanische Geheimdienst, evtl auch die Amerikaner seit Jahren wussten wo sich Bin Laden aufhält, dass es jetzt, nach zehn Jahren einfach an der Zeit war die Geschichte zu Ende zu bringen und ihn zu entsorgen.  Es ist desweiteren wahrscheinlich, dass Bin Laden schlief, oder zumindest überrumpelt im Bett lag, als die Seals sein Haus stürmten, unbewaffnet und sicher "überrascht". Wahrscheinlich brauchte man nicht annähernd ein Magazin Patronen um ihn zu erledigen, zwei Treffer sind bestätigt, darunter der tödliche Kopfschuss über dem linken Auge.

Es ist insofern mittlerweile wohl relativ eindeutig, dass die USA nicht die Absicht hatten Bin Laden gefangen zu nehmen, ihn in die USA zu überführen, und ihn dort einer ordentlichen Gerichtsbarkeit zu überführen. Die Vereinigten Staaten haben Bin Laden hingerichtet. Doch was ist daran so brisant?


Zunächst einmal, war die Aktion wohl völkerrechtswidrig, wie auch Altkanzler Schmidt festellte. Darüber hinaus wurde hier eine historische Chance verpasst. Die Nürnberger Prozesse waren in ihrer Form Beispielhaft für die internationale Gerichtsbarkeit in Ausnahmefällen. Auch damals wurden z.T. Massenmörder gerichtet. Menschen, die eine unverhältnismäßig große Zahl anderer Menschen direkt, oder indirekt auf dem Gewissen hatten.
Auch wenn es bei der militärischen Intervention der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan offiziell nicht ausschließlich um Bin Laden, nicht nur um Al-Qaida ging, so war Bin Laden doch sowohl für die Amerikaner als auch für weite Teile der islamische Welt eine Symbolfigur ohnegleichen. Für die USA war Bin Laden der Drahtzieher hinter den Anschlägen vom 11.September, für die viele Muslime im nahen Osten ein Symbol für den Widerstand gegen die Unterjochung und Bekämpfung ihrer Welt. Schon zur Zeit des kalten Krieges hat sich Bin Laden diesen Ruf im wahrsten Sinne erkämpft - auf dem Schlachtfeld Afghanistan, im Krieg gegen die übermächtige Sowjetunion.

Den Sieg des Rechtssystems über eine derartige Symbolgestalt, hat man nun vertan - weil man die Niederlage fürchtete? Weil nicht genug Beweise vorhanden waren?
Die USA handelten ausgesprochen fragwürdig, und die ist im Sinne des Wortes zu verstehen: Würdig der Nachfrage.
Der Frage welche Politik man nun im nahen Osten und insbesondere bzgl. Pakistan verfolgen wird.
Der Frage wieso uns die eigene, jeweils opportune Rechtsauffassung diktiert, warum Kriege geführt und Menschen ohne Gerichtsverfahren exekutiert werden?

Mittwoch, 4. Mai 2011

Obama gets Osama...

... titelt "The News".
Die New Yorker nehmen diese Nachricht als Aufforderung ein spontanes Straßenfest am Ground Zero zu veranstalten, mitten in der Nacht gehen sie auf die Straße. Wer die Bilder gesehen hat kann auch über tausende Kilometer hinweg eine Art kollektive Erleichterung spüren. New York, die USA atmen auf in einem gewaltigen Atemzug. Einen kleinen Japser erlaubt sich auch unsere Bundeskanzlerin. Nach mehrmaligem Nachhaken der Journalisten auf ihre Erklärung bezüglich der Nachricht von Bin Ladens Tod, äußert sie "Ich freue mich, dass es gelungen ist bin Laden zu töten".
Und obwohl sich alle Medien beeilen die (nicht vorhandenen) Informationen zu verbreiten, ist wohl nicht ganz klar was genau geschehen ist. So gibt es bereits mindestens zwei offizielle Versionen der Vorkommnise und selbstverständlich Myriaden von offenen wie geschlossenen Verschwörungstheorien.

Es wird einhellig berichtet, Obama hätte nach reiflicher Überlegung (immerhin nahm er sich wohl eine weitere Nacht um über die Entscheidung zu schlafen) am Freitag sein "go" für die wohl bereits lange vorbereitete militärische Aktion gegeben. In der Nacht zum Montag dann seien drei in Pakistan gestartete Helikopter, bemannt mit Navy Seals zu Bin Ladens Anwesen in Abbotabad geflogen, deren Besatzung in den von hohen Mauern umgebenen Komplex gestürmt sei und schließlich Bin Laden durch einen Kopfschuss über dem linken Auge getötet habe. Danach habe man die Leiche auf einem Flugzeugträger nach "islamischer Sitte" in weiße Tücher gewickelt, und auf dem Grund des Meeres versenkt.

Doch bereits am genauen Ablauf der Exekution scheiden sich wohl die Geister.
So wird berichtet Bin Laden hätte (s)eine Frau als lebendigen Schutzschild verwendet, an anderer Stelle heißt es er habe sich mit einer Schusswaffe der Festnahme entziehen wollen, und ein weiterer "Anonymer Beamter" äußert dass beide Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen würden. Ähnlich nebulös ist der Verbleib des Fotos des getöteten Bin Laden, angeblich will man es nicht veröffentlichen, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu vermeiden.

Darüber hinaus stammen alle vorhandenen Informationen von der US-Regierung -bis auf einen Nachbarn der wohl vom Hubschrauberlärm geweckt wurde, und dies promt twitterte.
Direkt gesehen hat er die Tötung Bin Ladens sicher nicht.
Die einzigen Augenzeugen sind somit die Überlebenden Bin Ladens Familie, sowie die Navy Seals - die Eliteeinheit der amerikanischen Streitkräfte.

Auffällig ist hierbei offensichtlich, das die Regierung der vereinigten Staaten hier ein Informationsmonopol besitzt - und dies auch ausnutzt. Ihre Geschichte weist zwar die eine oder andere Lücke auf, aber letztlich werden wir wohl nie Erfahren was in der Nacht zum Montag genau geschah, bzw. ob überhaupt etwas von Bedeutung geschah.

Aber selbst wenn die Version der Amerikaner stimmt, wenn sie durch das Verhören von Gefangenen in ihrem Konzentrationslager Guantanamo an den Decknamen des Dienstboten der Bin Ladens gelangt sind, wenn sie ihn nach bald zehn Jahren der Suche schließlich gefunden haben, ihren Staatsfeind, so kommen einige unangenehme Fragen auf.

Die jüngsten Geschehnisse werfen wie ein zusätzlicher Scheinwerfer neues Licht auf Obama, und sein Schatten gewinnt an Konturen. Die Informationen zur Exekution Bin ladens wurden nach offiziellen Angaben in Guantanamo erfoltert, eben jenem Konzentrationslager modernster Variante, dass Mr.YesWeCan so schnell wie möglich schließen wollte - und doch bleibt es bestehen.
Darüber hinaus ist die Operation völkerrechtlich ausgesprochen fragwürdig - so sah Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) hier "Zum einen [...] ganz eindeutig einen Verstoß gegen das geltende Völkerrecht". Die USA müssen sich die Frage gefallen lassen, was genau sie legitimiert einen Menschen ohne Gerichtsverhandlung hinrichten zu lassen. In Anbetracht Obamas öffentlicher Reaktion ist hieran nicht zu zweifeln.
Darüber hinaus und ähnlich pikant ist der Zeitpunkt der Operation - Obama hatte nach offizieller Version am Freitag seine Zustimmung gegeben, obwohl er um die gegenwärtige politische Instabilität des nahen Ostens wusste - die arabische Welt befindet sich gegenwärtig möglicherweise an einem historischen Scheidepunkt, und Bin Ladens Tod könnte Konsequenzen nach sich ziehen, die im Augenblick nicht zu überschauen sind. Dass Bin Laden wohl bereits mehrere Jahre in diesem Haus lebte, und nicht etwa wie uns glauben gemacht werden sollte, sich in Berghöhlen am Hindukusch versteckt, ist insofern nicht nur für den Präsidenten der USA brisant.
Auch der Umstand, dass es der wohl meistgesuchte Terrorist der Welt geschafft hat sich über Jahre hinweg in Pakistan zu verstecken und dies in unmittelbarer Nähe zu militärischen Einrichtungen wirft einige Fragen an den pakistanischen Geheimdienst auf.
War das ein faux pas? Oder steckt dahinter Methode des Paktistanischen Staates?

Dass sich die USA und ihre Allierten und die Pakistaner jedoch ausgesprochen ruhig verhalten, lässt widerum einige Schlüsse zu. Das scheitern der Pakistanpolitik der Amerikaner, den Staat aber vor allem das Militär finanziell zu verhätscheln, ist in jedem Fall offensichtlich. Wenn Pakistan Bin Laden über Jahre vor den Amerikanern verborgen gehalten hat, ist die Legitimation des bis heute andauernden von der Nato geführten Krieges in Afghanistan fragwürdiger denn je. Insbesondere da auch andere hochrangige Al-Quaida Männer in Pakistan gefasst oder getötet wurden. Wenn es darum ginge die "Keimzellen des Terrorismus" zu vernichten um die "Welt" sicherer zu machen, wie uns von offizieller Seite bis heute suggeriert wird, so wäre es wohl angebrachter gegen Pakistan Krieg zu führen, zumindest angebrachter als in Afghanistan.
Wenn allerdings der Pakistanische Geheimdienst über Jahre unfähig ist, den Mann zu finden, den die USA wie keinen anderen Terroristen such(t)en, stellt das sowohl den Pakistanischen Staat als auch dessen Financiers bloß.